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BEZEICHNUNG

       initrd - vom Boot-Loader initialisierte RAM-Disk

KONFIGURATION

       /dev/initrd  ist  ein  nur lesbares Blockgerät mit der Major-Nummer 1 und der Minor-Nummer
       250. Typischerweise ist der Besitzer von /dev/initrd root.disk;  die  Zugriffsrechte  sind
       auf  0400 gesetzt (Lesezugriff nur für root). Wenn /dev/initrd nicht schon im Linux-System
       eingerichtet wurde, kann sie mit den folgenden Befehlen erstellt werden:

           mknod -m 400 /dev/initrd b 1 250
           chown root:disk /dev/initrd

       Auch muss Unterstützung  für  sowohl  »RAM-Disk«  als  auch  »Initial  RAM  Disk«  (z.  B.
       CONFIG_BLK_DEV_RAM=y  und  CONFIG_BLK_DEV_INITRD=y)  direkt in den Linux-Kernel kompiliert
       werden, um /dev/initrd zu verwenden. Wird /dev/initrd verwendet, kann der RAM-Disk-Treiber
       nicht als Modul geladen werden.

BESCHREIBUNG

       Die  Spezialdatei  /dev/initrd  ist  ein  nur  lesbares  Blockgerät. Dieses Gerät ist eine
       RAM-Disk, die  vom  Boot-Loader  initialisiert  (z.B.  geladen)  wird,  bevor  der  Kernel
       gestartet  wird.  Der  Kernel  kann dann den Inhalt von /dev/initrd für einen zweiphasigen
       Systemstart verwenden.

       In der ersten Phase startet  der  Kernel  und  bindet  ein  erstes  Wurzeldateisystem  mit
       Inhalten  von  /dev/initrd ein (z. B. die vom Boot-Loader initialisierte RAM-Disk). In der
       zweiten Phase werden zusätzliche Treiber oder andere Module  aus  dem  Inhalt  des  ersten
       Wurzelgeräts   geladen.   Nach   dem   Laden   der  zusätzlichen  Module  wird  ein  neues
       Wurzeldateisystem  (d.  h.  das  normale  Wurzeldateisystem)  von  einem   anderen   Gerät
       eingebunden.

   Der Boot-Vorgang
       Beim Booten mit initrd startet das System wie folgt:

       1. Der Boot-Loader lädt den Kernel und den Inhalt von /dev/initrd in den Speicher.

       2. Wenn  der  Kernel  startet,  dekomprimiert  und  kopiert  er  den  Inhalt  des  Gerätes
          /dev/initrd auf Gerät /dev/ram0 und  gibt  dann  den  Speicher  frei,  den  /dev/initrd
          belegte.

       3. Der  Kernel  bindet  dann  das  Gerät  /dev/ram0  schreib-  und lesbar als anfängliches
          Wurzeldateisystem ein.

       4. Wenn das angegebene normale Wurzeldateisystem auch  das  anfängliche  Wurzeldateisystem
          ist  (z.B.  /dev/ram0),  springt  der  Kernel  zum  letzten  Schritt  für  die  übliche
          Boot-Sequenz.

       5. Wenn im anfänglichen Wurzeldateisystem die ausführbare Datei  /linuxrc  vorhanden  ist,
          wird  sie  mit  UID  0  ausgeführt.  (Die  Datei  /linuxrc  muss über Ausführungsrechte
          verfügen. Sie kann eine beliebige  gültige,  ausführbare  Datei  sein,  also  auch  ein
          Shell-Skript.)

       6. Wenn  /linuxrc  nicht  ausgeführt  oder  wenn  /linuxrc  beendet wird, wird das normale
          Wurzeldateisystem eingebunden. (Wenn /linuxrc beendet wird, wenn noch  Dateisysteme  im
          anfänglichen  Wurzeldateisystem  eingehängt  sind,  dann  ist das Verhalten des Kernels
          NICHT FESTGELEGT; siehe den Abschnitt ANMERKUNGEN für das aktuelle Kernel-Verhalten.)

       7. Wenn im normalen Wurzeldateisystem ein Verzeichnis  /initrd  vorhanden  ist,  wird  das
          Gerät  /dev/ram0 von / auf /initrd gelegt. Wenn das Verzeichnis /initrd nicht vorhanden
          ist, wird das Gerät /dev/ram0 ausgehängt. (Wenn /dev/ram0 von / nach /initrd verschoben
          wird, wird /dev/ram0 nicht ausgehängt und damit können Prozesse weiterhin von /dev/ram0
          ausgeführt  werden.   Wenn   das   Vorzeichnis   /initrd   nicht   auf   dem   normalen
          Wurzeldateisystem  existiert  und  noch  weiterhin  Prozesse  von  /dev/ram0 ausgeführt
          werden, wenn /linuxrc sich beendet, ist das Verhalten  des  Kernels  NICHT  FESTGELEGT;
          siehe den Abschnitt ANMERKUNGEN für das aktuelle Kernel-Verhalten.)

       8. Die   übliche   Boot-Sequenz  (z.B.  Aufruf  von  /sbin/init)  wird  auf  dem  normalen
          Wurzeldateisystem durchgeführt.

   Optionen
       Die folgenden Optionen des Boot-Loaders wirken sich auf das  Verhalten  des  Kernels  beim
       Systemstart aus, wenn sie mit initrd verwendet werden:

       initrd=Dateiname
              Gibt die Datei an, die als Inhalt von /dev/initrd geladen wird. Für LOADLIN ist das
              eine  Befehlszeilenoption.   Für   LILO   müssen   Sie   diesen   Befehl   in   der
              LILO-Konfigurationsdatei   /etc/lilo.config   verwenden.   Die  mit  dieser  Option
              angegebene Datei ist typischerweise ein komprimiertes Dateisystem-Abbild.

       noinitrd
              Diese Boot-Option deaktiviert den zweiphasigen Systemstart. Der  Kernel  führt  die
              übliche  Boot-Sequenz aus, als ob /dev/initrd nicht initialisiert wurde. Mit dieser
              Option  bleiben  alle  vom  Boot-Loader  in  den  Speicher  geladenen  Inhalte  von
              /dev/initrd  erhalten. Diese Option ermöglicht, dass der Inhalt von /dev/initrd aus
              beliebigen Daten bestehen kann und nicht auf Dateisystem-Abbilder  beschränkt  sein
              muss.  Allerdings  ist  das  Gerät /dev/initrd schreibgeschützt und kann nur einmal
              nach dem Systemstart gelesen werden.

       root=Gerätename
              Gibt das Gerät an, das als normales Wurzeldateisystem verwendet  werden  soll.  Für
              LOADLIN  ist  dies  ist  eine Befehlszeilen-Option. Für LILO kann diese Option beim
              Systemstart oder als Optionszeile in der LILO-Konfigurationsdatei  /etc/lilo.config
              verwendet  werden.  Das  durch diese Option angegebene Gerät muss eingehängt werden
              können und ein geeignetes Wurzeldateisystem enthalten.

   Wechsel des normalen Wurzeldateisystems
       Standardmäßig werden die Kernel-Einstellungen (z.  B.  mit  rdev(8)  in  der  Kernel-Datei
       gesetzt   oder   in  die  Kernel-Datei  kompiliert)  oder  die  Options-Einstellungen  des
       Boot-Loaders für das normale Wurzeldateisystem verwendet. Für ein über  NFS  eingebundenes
       normales  Wurzeldateisystem  müssen  die  Boot-Optionen  nfs_root_name  und nfs_root_addrs
       genutzt werden, um die NFS-Einstellungen zu übergeben. Für weitere Informationen über  via
       NFS  eingebundene  Wurzeldateisysteme  lesen  Sie  die  Kernel-Dokumentation  in der Datei
       Documentation/filesystems/nfs/nfsroot.txt (oder Documentation/filesystems/nfsroot.txt  vor
       Linux  2.6.33).  Weitere  Informationen  über das Einstellen des Wurzeldateisystems finden
       sich in den Dokumentationen von LILO und LOADLIN.

       Die ausführbare Datei /linuxrc kann auch das normale Wurzelgerät  ändern.  Damit  /linuxrc
       das  normale  Wurzelgerät  ändern kann, muss /proc eingehängt sein. Nach dem Einhängen von
       /proc ändert /linuxrc das normale Wurzelgerät durch  das  Schreiben  in  die  proc-Dateien
       /proc/sys/kernel/real-root-dev,             /proc/sys/kernel/nfs-root-name             und
       /proc/sys/kernel/nfs-root-addrs. Ein physisches Wurzelgerät wird geändert, indem  /linuxrc
       die  Gerätenummer des neuen Wurzeldateisystems in /proc/sys/kernel/real-root-dev schreibt.
       Für  ein  NFS-Wurzeldateisystem  wird  das  Wurzelgerät  geändert,  indem   /linuxrc   die
       NFS-Einstellung      in      die      Dateien      /proc/sys/kernel/nfs-root-name      und
       /proc/sys/kernel/nfs-root-addrs schreibt und dann 0xff (z. B. die NFS-Pseudo-Gerätenummer)
       in  die  Datei  /proc/sys/kernel/real-root-dev  schreibt.  Zum Beispiel würde der folgende
       Shell-Befehl das normale Wurzelgerät auf /dev/hdb1 ändern:

           echo 0x365 >/proc/sys/kernel/real-root-dev

       Ein NFS-Beispiel: Die folgenden Shell-Befehlszeilen würden das normale Wurzelgerät für ein
       System  mit  der  IP-Nummer  193.8.232.2  und  dem  Namen »idefix« auf das NFS-Verzeichnis
       /var/nfsroot auf einem NFS-Server  mit  der  IP-Nummer  193.8.232.7  im  lokalen  Netzwerk
       ändern:

           echo /var/nfsroot >/proc/sys/kernel/nfs-root-name
           echo 193.8.232.2:193.8.232.7::255.255.255.0:idefix \
               >/proc/sys/kernel/nfs-root-addrs
           echo 255 >/proc/sys/kernel/real-root-dev

       Hinweis:   Die   Verwendung   von  /proc/sys/kernel/real-root-dev  für  die  Änderung  des
       Wurzeldateisystems        ist        veraltet.         Die         Linux-Kernel-Quelldatei
       Documentation/admin-guide/initrd.rst  (oder Documentation/initrd.txt vor Linux 4.10) sowie
       pivot_root(2) und pivot_root(8) informieren über das moderne Verfahren  zur  Änderung  des
       Wurzeldateisystems.

   Verwendung
       Die  Hauptmotivation  für  die  Implementierung  von  initrd war, bei der Installation des
       Systems eine modulare Kernel-Konfiguration zu ermöglichen.

       Ein mögliches Szenario für eine Systeminstallation ist das folgende:

       1. Das Ladeprogramm startet von  einer  Diskette  oder  einem  anderen  Medium  mit  einem
          minimalen  Kernel  (beispielsweise  mit Unterstützung für /dev/ram, /dev/initrd und das
          ext2-Dateisystem) und lädt /dev/initrd mit einer komprimierten Version des anfänglichen
          Dateisystems.

       2. Die  ausführbare  Datei  /linuxrc  bestimmt,  was  für  (1)  das Einhängen des normalen
          Wurzeldateisystems  (z.B.  Gerätetyp,   Gerätetreiber,   Dateisystem)   und   (2)   der
          Installationsmedien  (z.B. CD-ROM, Netzwerk, Band, …) erforderlich ist. Dies kann durch
          Befragung des Benutzers, dem Selbstuchen des Gerätes oder  mit  einem  hybriden  Ansatz
          erfolgen.

       3. Die  ausführbare  Datei  /linuxrc  lädt  die  notwendigen  Module  aus dem anfänglichen
          Wurzeldateisystem.

       4. Die ausführbare Datei /linuxrc erstellt und füllt  das  Wurzeldateisystem.  (In  diesem
          Stadium muss das normale Wurzeldateisystem noch kein vollständiges System sein.)

       5. Die  ausführbare  Datei  /linuxrc schreibt /proc/sys/kernel/real-root-dev, hängt /proc,
          das normale Wurzeldateisystem und alle weiteren von ihm eingehängten  Dateisysteme  aus
          und beendet sich dann.

       6. Der Kernel bindet dann das normale Wurzeldateisystem ein.

       7. Nachdem  das System intakt ist und darauf zugegriffen werden kann, kann der Boot-Loader
          installiert werden.

       8. Der Boot-Loader ist so konfiguriert, dass er in /dev/initrd  ein  Dateisystem  mit  dem
          Satz  von  Modulen  lädt,  die  beim Systemstart eingesetzt waren. (z.B. kann das Gerät
          /dev/ram0 modifiziert, danach ausgehängt und schließlich sein Abbild  (Image)  in  eine
          Datei geschrieben werden.)

       9. Das  System ist nun bootfähig und zusätzliche Installationsaufgaben können durchgeführt
          werden.

       Die Schlüsselrolle von /dev/initrd im Vorgehenden ist es, die Konfigurationsdaten  während
       des  normalen Betriebs weiter zu verwenden, ohne dass der ursprüngliche Kernel ausgewählt,
       ein großer generischer Kernel eingesetzt oder ein Kernel neu kompiliert werden muss.

       Ein zweites Szenario  sind  Netzwerk-Installationen,  in  denen  Linux  auf  Systemen  mit
       verschiedenen  Hardware-Konfigurationen  läuft.  In  solchen  Fällen kann es wünschenswert
       sein, nur eine kleine Gruppe von Kerneln (im Idealfall nur einen)  zu  verwenden  und  den
       systemspezifischen  Teil  der  Konfigurationsinformationen so klein wie möglich zu halten.
       Erstellen Sie für diesen Fall eine gemeinsame Datei mit  allen  benötigten  Modulen.  Dann
       muss nur die Datei /linuxrc oder eine von /linuxrc ausgeführte Datei individuell angepasst
       werden.

       Ein drittes Szenario sind komfortable Reparatur-CDs. Weil Informationen wie  die  Position
       der  Wurzeldateisystem-Partition  zur  Boot-Zeit  nicht  erforderlich  sind,  kann das aus
       /dev/initrd geladene System einen Dialog und/oder eine  automatische  Erkennung  verwenden
       und dem eine Plausibilitätsprüfung folgen lassen.

       Nicht  zuletzt können Linux-Distributionen auf CD-ROM initrd für die einfache Installation
       von der CD-ROM verwenden. Die Distribution kann LOADLIN verwenden, um  /dev/initrd  direkt
       von  der CD-ROM zu laden und Disketten überflüssig zu machen. Die Distribution könnte auch
       eine LILO-Bootdiskette verwenden und dann über /dev/initrd eine größere RAM-Disk  von  der
       CD-ROM laden.

DATEIEN

       /dev/initrd
       /dev/ram0
       /linuxrc
       /initrd

ANMERKUNGEN

       1. Beim aktuellen Kernel kann auf Dateisysteme, die während der Verschiebung von /dev/ram0
          von / nach /initrd eingehängt waren, weiterhin  zugegriffen  werden.  Die  Einträge  in
          /proc/mounts werden aber nicht aktualisiert.

       2. Mit  dem  aktuellen Kernel wird bei fehlendem /initrd /dev/ram0 nicht völlig ausgehängt
          werden, wenn es von einem Prozess verwendet wird  oder  in  /dev/ram0  ein  Dateisystem
          eingehängt ist. Wenn /dev/ram0 nicht vollständig ausgehängt ist, verbleibt /dev/ram0 im
          Speicher.

       3. Anwender von /dev/initrd sollten sich nicht auf das in diesen Anmerkungen  beschriebene
          Verhalten verlassen. Das Verhalten kann sich in zukünftigen Kernel-Versionen ändern.

SIEHE AUCH

       chown(1), mknod(1), ram(4), freeramdisk(8), rdev(8)

       Documentation/admin-guide/initrd.rst  (oder  Documentation/initrd.txt  vor  Linux 4.10) im
       Linux-Kernelquelltext-Verzeichnis und die Dokumentationen von LILO, LOADLIN und SYSLINUX

KOLOPHON

       Diese Seite  ist  Teil  der  Veröffentlichung  5.10  des  Projekts  Linux-man-pages.  Eine
       Beschreibung  des  Projekts,  Informationen,  wie  Fehler gemeldet werden können sowie die
       aktuelle Version dieser Seite finden sich unter https://www.kernel.org/doc/man-pages/.

ÜBERSETZUNG

       Die  deutsche  Übersetzung  dieser  Handbuchseite  wurde  von  Martin   Eberhard   Schauer
       <Martin.E.Schauer@gmx.de>, Mario Blättermann <mario.blaettermann@gmail.com> und Dr. Tobias
       Quathamer <toddy@debian.org> erstellt.

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