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BEZEICHNUNG

       signal - Überblick über Signale (Software-Interrupts)

BESCHREIBUNG

       Linux  unterstützt  sowohl  nach  POSIX  zuverlässige  Signale  (im  Folgenden:  »Standard-Signale«)  und
       POSIX-Echtzeit-Signale.

   Signal-Wirkungen (disposition)
       Jedes Signal hat eine aktuelle Wirkung. Sie legt fest, wie sich der Prozess verhält, wenn er  das  Signal
       erhält.

       Die  Einträge in der »Aktion«-Spalte in den folgenden Tabellen legen die Standardwirkung für jedes Signal
       fest:

       Term   Standardaktion ist der Abbruch des Prozesses.

       Ign    Standardaktion ist, das Signal zu ignorieren.

       Core   Die Standardaktion ist der Abbruch des Prozesses und das Erstellen  eines  Speicherauszugs  (siehe
              core(5)).

       Stop   Die Standardaktion ist, den Prozess anzuhalten.

       Cont   Die Standardaktion ist, einen angehaltenen Prozess fortzusetzen.

       Ein  Prozess  kann die Wirkung eines Signals mit Hilfe von sigaction(2) oder signal(2) ändern. (Letzteres
       ist schlechter portierbar bei der Realisierung von Signal-Handlern; siehe  signal(2)  für  Details.)  Mit
       diesen  Systemaufrufen  kann  ein  Prozess  eine  der folgenden Verhaltensweisen bei Erhalt eines Signals
       festlegen: die Standardaktion ausführen, das Signal ignorieren oder das Signal mit  einem  Signal-Handler
       abfangen.  Ein  Signal-Handler  ist  eine  vom  Programmierer  definierte  Funktion. Sie wird automatisch
       aufgerufen,  wenn  das  Signal  eintrifft.  (Standardmäßig  wird  der  Signal-Handler  auf  dem  normalen
       Prozess-Stack  aufgerufen.  Man  kann  es  einrichten,  dass  der Signal-Handler einen alternativen Stack
       benutzt; vgl. sigaltstack(2) für eine Erörterung, wie das gemacht wird und wann es nützlich sein könnte).

       Die Reaktion auf das Signal ist ein Merkmal des ganzen Prozesses; in  einer  Multithread-Anwendung  wirkt
       das Signal auf alle Threads gleich.

       Ein mittels fork(2) erstelltes Kind erbt eine Kopie der Signalzuordnungen seines Elternprozesses. Während
       eines execve(2) werden die Zuordnungen von  verwalteten  Signalen  auf  die  Vorgabe  zurückgesetzt;  die
       Zuordnung ignorierter Signale werden unverändert gelassen.

   Ein Signal senden
       Die  folgenden  Systemaufrufe  und Bibliotheksfunktionen ermöglichen dem aufrufenden Programm den Versand
       eines Signals:

       raise(3)        sendet dem aufrufenden Thread ein Signal

       kill(2)         sendet  ein  Signal  an  einen  bestimmten  Prozess,  alle  Mitglieder  einer  bestimmten
                       Prozessgruppe oder an alle Prozesse im System

       killpg(3)       sendet ein Signal an alle Mitglieder einer bestimmten Prozessgruppe

       pthread_kill(3) sendet ein Signal an einen bestimmten POSIX-Thread im gleichen Prozess wie die aufrufende
                       Routine

       tgkill(2)       Es wird ein Signal an einen bestimmten Thread in einem bestimmten Prozess gesendet.  (Mit
                       diesem Systemaufruf wird pthread_kill(3) realisiert.)

       sigqueue(3)     sendet ein Echtzeit-Signal und zugehörige Daten an einen bestimmten Prozess

   Warten auf ein abzufangendes Signal
       Die  folgenden  Systemaufrufe  setzen  die Ausführung des aufrufenden Prozesses oder Threads aus, bis ein
       Signal abgefangen wird (oder ein nicht abgefangenes Signal den Prozess beendet):

       pause(2)        setzt die Ausführung aus, bis irgendein Signal abgefangen wird.

       sigsuspend(2)   ändert zeitweise die Signalmaske (siehe unten) und setzt die Ausführung  aus,  bis  eines
                       der nicht maskierten Signale abgefangen wird.

   Synchrone Signalannahme
       Anstatt  ein  Signal  asynchron  mit  einem  Signal-Handler  abzufangen,  kann  ein  Signal auch synchron
       akzeptiert werden. Das heißt, die Ausführung wird blockiert, bis das Signal gesendet wird.  Dann  liefert
       der  Kernel  Informationen über das Signal an den Aufrufenden. Es gibt zwei allgemeine Möglichkeiten, das
       zu tun:

       * sigwaitinfo(2), sigtimedwait(2) und sigwait(3) setzen die Ausführung aus, bis ein Signal gesendet wird,
         dass  zu einer festgelegen Gruppe von Signalen gehört. Jeder dieser Aufrufe gibt Informationen über das
         empfangene Signal zurück.

       * signalfd(2) gibt einen Dateideskriptor zurück.  Mit  ihm  können  Informationen  über  Signale  gelesen
         werden,  die  dem  Aufrufenden  übermittelt  werden.  Jeder  Aufruf  von  read(2) aus dieser Datei wird
         blockiert, bis eines der  Signale  aus  der  im  Aufruf  von  signalfd(2)  festgelegten  Menge  an  den
         aufrufenden Prozess gesendet wird. Der von read(2) zurückgegebene Puffer enthält eine Struktur, die das
         Signal beschreibt.

   Signalmaske und anstehende Signale
       Ein  Signal  kann  blockiert  werden.  Das  bedeutet,  dass  es  erst  dann  gesendet  wird,  nachdem  es
       (später/verzögert)  freigegeben  wurde.  Zwischen dem Zeitpunkt seiner Erzeugung und dem Zeitpunkt seines
       Versands wird es anstehend (pending) genannt.

       Jeder Thread in einem Prozess hat eine unabhängige Signalauswahl-Maske (signal mask). Sie legt  den  Satz
       von  Signalen  fest,  den  der  Thread  derzeit  blockiert. Ein Thread kann seine Signalauswahl-Maske mit
       pthread_sigmask(3) manipulieren. In einer traditionellen  Single-Threaded-Anwendung  kann  sigprocmask(2)
       verwendet werden, um die Signalmaske zu manipulieren.

       Ein  mittels  fork(2) erstellter Kindprozess erbt eine Kopie der Signalauswahl-Maske des Elternprozesses;
       sie bleibt über einen Aufruf von execve(2) erhalten.

       Ein Signal kann für einen Prozess als Ganzes oder für einen bestimmten Thread erzeugt werden  (und  damit
       anstehen).  Ein  Beispiel  für  den ersten Fall ist die Verwendung von kill(2). Beispiele für den zweiten
       Fall sind bestimmte Signale wie SIGSEGV und  SIGFPE,  die  als  Folge  der  Ausführung  einer  bestimmten
       Maschinensprachen-Anweisung   erzeugt   werden   und   somit  threadgerichtet  sind  sowie  Routinen  wie
       pthread_kill(3), die Signale an einen bestimmten Thread senden. Ein an einen Prozess  gerichtetes  Signal
       kann  an  jeden  Thread, der derzeit das Signal nicht blockiert hat, gesendet werden. Wenn mehr als einer
       der Threads das Signal nicht blockiert hat, wählt der Kernel einen beliebigen Thread, an den  das  Signal
       gesendet wird.

       Ein  Thread kann die aktuell für ihn anstehenden Signale mit sigpending(2) ermitteln. Das sind einerseits
       die für diesen Thread und andererseits die für seinen Prozess bestimmten Signale.

       Ein mittels fork(2) erzeugter Kindprozess hat  anfangs  keine  anstehenden  Signale;  anstehende  Signale
       bleiben über execve(2) erhalten.

   Standard-Signale
       Linux    unterstützt    die    unten    aufgeführten   Standard-Signale.   Mehrere   Signalnummern   sind
       architekturabhängig, was in der »Wert«-Spalte angegeben wird. (Wo drei Werte  angegeben  sind,  gilt  der
       erste  Wert  in  der  Regel  für  Alpha  und  SPARC,  der  mittlere  für x86, arm und die meisten anderen
       Architekturen und der letzte für MIPS. (Die Werte für  PARISC  sind  nicht  dargestellt;  lesen  Sie  die
       Linux-Kernelquellen  für  die  Signalnummerierung  auf dieser Architektur.) Ein Bindestrich (-) bedeutet,
       dass ein Signal in der entsprechenden Architektur nicht vorhanden ist.

       Zuerst die im ursprünglichen POSIX.1-1990-Standard beschriebenen Signale:

       Signal      Wert     Aktion   Kommentar
       ────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────
       SIGHUP        1       Term    Verbindung am steuernden Terminal beendet
                                     (aufgehängt) oder der steuernde Prozess wurde beendet
       SIGINT        2       Term    Unterbrechung von der Tastatur
       SIGQUIT       3       Core    Abbruch von der Tastatur

       SIGILL        4       Core    ungültiger Befehl
       SIGABRT       6       Core    Abbruchsignal von abort(3)
       SIGFPE        8       Core    Fließkomma-Ausnahmefehler
       SIGKILL       9       Term    Kill-Signal
       SIGSEGV      11       Core    ungültige Speicherreferenz
       SIGPIPE      13       Term    defekte Pipe: Schreiben in eine Pipeline ohne
                                     Leser; siehe pipe(7)
       SIGALRM      14       Term    Zeitgebersignal von alarm(2)
       SIGTERM      15       Term    Beendigungssignal (termination signal)
       SIGUSR1   30,10,16    Term    benutzerdefiniertes Signal 1
       SIGUSR2   31,12,17    Term    benutzerdefiniertes Signal 2
       SIGCHLD   20,17,18    Ign     Kindprozess angehalten oder beendet
       SIGCONT   19,18,25    Cont    fortsetzen, wenn angehalten
       SIGSTOP   17,19,23    Stop    Stop process
       SIGTSTP   18,20,24    Stop    Stop am Terminal eingegeben
       SIGTTIN   21,21,26    Stop    Terminal-Eingabe für Hintergrundprozess
       SIGTTOU   22,22,27    Stop    Terminal-Ausgabe für Hintergrundprozess

       Die Signale SIGKILL und SIGSTOP können nicht abgefangen, blockiert oder ignoriert werden.

       Als nächstes die Signale, die nicht in POSIX.1-1990, aber in SUSv2 und POSIX.1-2001 beschrieben sind.

       Signal        Wert     Aktion   Kommentar
       ─────────────────────────────────────────────────────────────────────────────
       SIGBUS      10,7,10     Core    Bus-Fehler (Speicherzugriffsfehler)
       SIGPOLL                 Term    abfragbares Ereignis (Sys V),
                                       Synonym für SIGIO
       SIGPROF     27,27,29    Term    Profiling-Zeitgeber abgelaufen
       SIGSYS      12,31,12    Core    Ungültiger Systemaufruf (SVr4);
                                       siehe auch seccomp(2)
       SIGTRAP        5        Core    Trace-/Haltepunkt-Trap
       SIGURG      16,23,21    Ign     dringende Gegebenheit an Socket (4.2BSD)
       SIGVTALRM   26,26,28    Term    virtueller Wecker (4.2BSD)
       SIGXCPU     24,24,30    Core    CPU-Zeitbegrenzung überschritten (4.2BSD)
                                       siehe setrlimit(2)
       SIGXFSZ     25,25,31    Core    Dateigrößenbegrenzung überschritten (4.2BSD)
                                       siehe setrlimit(2)

       Bis einschließlich Linux 2.2 war das Standardverhalten für SIGSYS,  SIGXCPU,  SIGXFSZ  und  (auf  anderen
       Architekturen  als SPARC und MIPS) SIGBUS den Prozess (ohne einen Speicherauszug zu erzeugen) zu beenden.
       (Auf einigen anderen UNIX-Systemen ist die Standardaktion für SIGXCPUund SIGXFSZ, den Prozess ohne  einen
       Speicherauszug  zu beenden.) Linux 2.4 entspricht den Anforderungen von POSIX.1-2001 an diese Signale und
       beendet den Prozess mit einem Speicherauszug.

       Es folgen diverse weitere Signale.

       Signal        Wert     Aktion   Kommentar
       ─────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────
       SIGIOT         6        Core    IOT-Trap; ein Synonym für SIGABRT
       SIGEMT       7,-,7      Term    Emulator-Trap
       SIGSTKFLT    -,16,-     Term    Stack-Fehler am Koprozessor (nicht verwendet)
       SIGIO       23,29,22    Term    E/A jetzt möglich (4.2BSD)
       SIGCLD       -,-,18     Ign     ein Synonym für SIGCHLD
       SIGPWR      29,30,19    Term    Stromausfall (System V)
       SIGINFO      29,-,-             ein Synonym für SIGPWR
       SIGLOST      -,-,-      Term    Dateisperre verloren/aufgehoben (nicht verwandt)
       SIGWINCH    28,28,20    Ign     Änderung der Fenstergröße (4.3BSD, Sun)
       SIGUNUSED    -,31,-     Core    synonym mit SIGSYS

       (Signal 29 ist SIGINFO / SIGPWR auf einer Alpha-Maschine, aber SIGLOST auf einer Sparc.)

       SIGEMT  ist  nicht  in  POSIX.1-2001  angegeben,  erscheint  aber  trotzdem  auf  den   meisten   anderen
       UNIX-Systemen.  Dort  ist  die  Standardaktion  in  der  Regel  die  Beendigung  des  Prozesses mit einem
       Speicherauszug.

       SIGPWR (nicht in POSIX.1-2001 beschrieben) wird bei seinem Eintreten  von  diesen  anderen  UNIX-Systemen
       ignoriert.

       SIGIO  (nicht  in  POSIX.1-2001  beschrieben)  wird standardmäßig auf verschiedenen anderen UNIX-Systemen
       ignoriert.

       Wenn das Signal definiert ist, ist auf den meisten Architekturen SIGUNUSED synonym zu SIGSYS. Seit  Glibc
       2.26 ist SIGUNUSED auf keiner Architektur mehr definiert.

   Echtzeit-Signale
       Beginnend   mit   Version   2.2   unterstützt   Linux  Echtzeit-Signale,  wie  sie  ursprünglich  in  den
       POSIX.1b-Echtzeit-Erweiterungen definiert wurden (und jetzt in POSIX.1-2001 enthalten sind). Die  Bereich
       der  unterstützten  Echtzeit-Signale  wird  von  den Makros SIGRTMIN und SIGRTMAX definiert. POSIX.1-2001
       verlangt, dass eine Umsetzung mindestens _POSIX_RTSIG_MAX (8) Echtzeit-Signale unterstützt.

       Der Linux-Kernel unterstützt eine Reihe von 33 verschiedenen Echtzeit-Signalen, nummeriert von 32 bis 64.
       Doch  die Glibc-Umsetzung der POSIX-Threads verwendet intern zwei (für NPTL) oder drei (für LinuxThreads)
       Echtzeit-Signale (siehe pthreads (7)) und stellt den Wert von SIGRTMIN passend (auf 34 oder 35  ein).  Da
       die  Zahl  der  verfügbaren  Echtzeit-Signale  je nach Glibc-Threading-Implementierung variiert und diese
       Variation (entsprechend dem verfügbaren Kernel und der Glibc) zur Laufzeit auftreten kann und tatsächlich
       die verfügbaren Echtzeitsignale je nach UNIX-System variieren, sollten Programme niemals mit eincodierten
       Zahlen auf Echtzeit-Signale verweisen. Stattdessen sollte auf Echtzeit-Signale  immer  mit  der  Notation
       SIGRTMIN+n verwiesen werden und zur Laufzeit überprüft werden, ob (SIGRTMIN+n) SIGRTMAX nicht übersteigt.

       Im  Gegensatz  zu  Standard-Signalen haben Echtzeit-Signale keine vordefinierten Bedeutungen: der gesamte
       Satz von Echtzeit-Signalen kann für anwendungsspezifische Zwecke genutzt werden.

       Die Standardaktion für ein nicht abgefangenes Echtzeit-Signal ist der Abbruch des Prozesses.

       Echtzeit-Signale zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:

       1.  Von Echtzeit-Signalen können mehrere Instanzen anstehen. Im Gegensatz dazu wird beim Versand mehrerer
           Instanzen  eines  Standard-Signals, während das Signal aktuell blockiert ist, nur eine Instanz weiter
           anstehen.

       2.  Wenn das Signal mit Hilfe von sigqueue(3) gesendet wird, kann mit ihm ein begleitender Wert (entweder
           eine  Ganzzahl  (Integer)  oder ein Zeiger) gesendet werden. Wenn der empfangende Prozess mittels des
           SA_SIGINFO-Schalters für sigaction(2) einen Handler für dieses Signal implementiert, kann dieser Wert
           aus  dem  si_value-Feld  der  siginfo_t-Struktur  (das zweite Argument des Handlers) bestimmt werden.
           Darüber hinaus können die  Felder  si_uid  und  si_pid  dieser  Struktur  verwendet  werden,  um  die
           Prozess-ID und reale Benutzer-ID des Prozesses zu erhalten, der das Signal erzeugt hat.

       3.  Echtzeit-Signale  werden  in  einer garantierten Reihenfolge zugestellt. Mehrere Echtzeit-Signale des
           gleichen Typs werden in der Reihenfolge zugestellt, in der sie  gesendet  wurden.  Wenn  verschiedene
           Echtzeit-Signale  an einen Prozess geschickt werden, wird das Signal mit der niedrigsten Signalnummer
           zuerst zugestellt. (D.h. niedrig nummerierte Signale haben höchste Priorität.) Im Gegensatz dazu  ist
           die  Reihenfolge  der  Zustellung  mehrerer  für  einen  Prozess  anstehender  Standard-Signale nicht
           festgelegt.

       Wenn sowohl Standard- als auch Echtzeit-Signale für einen Prozess  anstehen,  macht  POSIX  keine  Angabe
       dazu,  welche  Signale  zuerst  zugestellt werden. Linux gibt wie auch viele andere Implementierungen den
       Standard-Signalen den Vorzug.

       Nach  POSIX  sollte  eine  Umsetzung  mindestens  _POSIX_SIGQUEUE_MAX  (32)   Echtzeit-Signale   in   der
       Warteschlange   eines   Prozesses   ermöglichen.  Allerdings  macht  Linux  das  anders.  Im  Kernel  bis
       einschließlich 2.6.7 legt Linux eine systemweite Obergrenze für die Anzahl wartender Echtzeit-Signale für
       alle  Prozesse  fest.  Diese  Grenze  kann  eingesehen  und  (mit entsprechenden Rechten) durch die Datei
       /proc/sys/kernel/rtsig-max geändert werden. Aus der verwandten Datei /proc/sys/kernel/rtsig-nr  kann  die
       Anzahl der aktuell anstehenden Signale ermittelt werden. In Linux 2.6.8 wurden diese /proc-Schnittstellen
       durch die Ressource RLIMIT_SIGPENDING, die einen benutzerspezifischen Grenzwert für anstehende Signale in
       der Warteschlange festlegt, ersetzt (siehe setrlimit(2)).

       Die  Ergänzung um Echtzeitsignale erforderte die Verbreiterung der Signalmengenstruktur (sigset_t) von 32
       auf 64 Bit. Konsequenterweise wurden viele Systemaufrufe  durch  neue  Systemaufrufe  abgelöst,  die  die
       größeren Signalmengen unterstützten. Die alten und neuen Systemaufrufe sind wie folgt:

       Linux 2.0 und älter   Linux 2.2 und neuer
       sigaction(2)          rt_sigaction(2)

       sigpending(2)         rt_sigpending(2)
       sigprocmask(2)        rt_sigprocmask(2)
       sigreturn(2)          rt_sigreturn(2)
       sigsuspend(2)         rt_sigsuspend(2)
       sigtimedwait(2)       rt_sigtimedwait(2)

   Unterbrechung von Systemaufrufen und Bibliotheksfunktionen durch Signal-Handler
       Wenn  ein  Signal-Handler  aufgerufen  wird,  während  ein  Systemaufruf  oder Bibliotheksfunktionsaufruf
       blockiert ist, wird entweder:

       * nach Abschluss des Signal-Handlers der Aufruf neu gestartet oder

       * der Aufruf schlägt mit dem Fehler EINTR fehl.

       Welche dieser beiden Verhaltensweisen eintritt, hängt von  der  Schnittstelle  und  der  Verwendung  oder
       Nichtverwendung  des  Schalters  SA_RESTART  ab (siehe sigaction(2)). Die Einzelheiten unterscheiden sich
       zwischen UNIX-Systemen. Im Folgenden werden die Linux-Spezifika erörtert.

       Wenn ein blockierter Aufruf einer der folgenden  Schnittstellen  von  einem  Signal-Handler  unterbrochen
       wird,  wird  der  Aufruf  nach  der  Rückkehr  aus dem Signal-Handler erneut gestartet, wenn der Schalter
       SA_RESTART verwendet wurde; anderenfalls schlägt der Aufruf mit dem Fehler EINTR fehl:

       * Aufrufe von read(2), readv(2), write(2), writev(2) und ioctl(2) für »langsame« Geräte. Bei  »langsamen«
         Geräten  kann  ein  E-/A-Aufruf  für  eine  unbestimmte Zeit zu einer Blockade führen. Zu ihnen gehören
         beispielsweise Terminals, Pipelines und Sockets. Hat ein E-/A-Aufruf  für  ein  langsames  Gerät  schon
         Daten  übertragen  und  wird  durch  einen  Signal-Handler  unterbrochen,  wird  der  Aufruf  mit einem
         Erfolgs-Status abgeschlossen (normalerweise ist das die Zahl übertragener Bytes).  Beachten  Sie,  dass
         eine   (lokale)   Festplatte  nach  dieser  Definition  kein  langsames  Gerät  ist.  E/A-Aktionen  auf
         Fesplattengeräten werden durch Signale nicht unterbrochen.

       * open(2), wenn er blockieren kann (z. B. beim Öffnen eines FIFOs; siehe fifo(7)).

       * wait(2), wait3(2), wait4(2), waitid(2) und waitpid(2).

       * Socket-Schnittstellen: accept(2), connect(2), recv(2), recvfrom(2), recvmmsg(2),  recvmsg(2),  send(2),
         sendto(2) und sendmsg(2), es sei denn, es wurde für den Socket eine Zeitbegrenzung (Timeout) festgelegt
         (siehe unten).

       * Dateisperrende Schnittstellen: flock(2) und die Aktionen F_SETLKW und F_OFD_SETLKW von fcntl(2).

       * POSIX-Schnittstellen für Nachrichten-Warteschlangen: mq_receive(3), mq_timedreceive(3), mq_send(3), and
         mq_timedsend(3).

       * futex(2) FUTEX_WAIT (seit Linux 2.6.22; vorher immer Fehlschlag mit EINTR).

       * io_getevents(2)

       * pthread_mutex_lock(3), pthread_cond_wait(3) und verwandte APIs.

       * futex(2) FUTEX_WAIT_BITSET.

       * POSIX-Semaphor-Schnittstellen:  sem_wait(3)  und  sem_timedwait(3)  (seit  Linux  2.6.22;  vorher immer
         Fehlschlag mit EINTR).

       * read(2) von einem inotify(7)-Dateideskriptor (seit Linux 3.8; vorher immer Fehlschlag mit EINTR).

       Folgende Schnittstellen werden nach einer Unterbrechung durch einen Signal-Handler,  unabhängig  von  der
       Verwendung von SA_RESTART nie erneut gestartet; sie schlagen immer mit dem Fehler EINTR fehl:

       * »Eingabe«-Socket-Schnittstellen,   wenn  für  den  Socket  mittels  setsockopt(2)  eine  Zeitbegrenzung
         (Timeout, SO_RCVTIMEO) festgelegt wurde: accept(2), recv(2), recvfrom(2), recvmmsg(2) (auch  mit  einem
         von NULL verschiedenen Argument timeout) und recvmsg(2).

       * »Ausgabe«-Socket-Schnittstellen,   wenn  für  den  Socket  mittels  setsockopt(2)  eine  Zeitbegrenzung
         (Timeout, SO_RCVTIMEO) festgelegt wurde: connect(2), send(2), sendto(2) und sendmsg(2).

       * Schnittstellen, mit denen auf Signale  gewartet  wird:  pause(2),  sigsuspend(2),  sigtimedwait(2)  und
         sigwaitinfo(2).

       * Schnittstellen,   die   Dateideskriptoren  mehrfach  nutzen:  epoll_wait(2),  epoll_pwait(2),  poll(2),
         ppoll(2), select(2) und pselect(2).

       * System-V-IPC-Schnittstellen: msgrcv(2), msgsnd(2), semop(2), and semtimedop(2).

       * Schlaf-Systemaufrufe: clock_nanosleep(2), nanosleep(2), and usleep(3).

       * io_getevents(2)

       Die Funktion sleep(3) wird ebenfalls niemals neu gestartet, wenn sie  durch  einen  Handler  unterbrochen
       wurde, wird aber erfolgreich verlassen: Der Rückgabewert ist die Zeit, die noch geschlafen werden sollte.

   Unterbrechung von Systemaufrufen und Bibliotheksfunktionen durch Stop-Signale
       Auf  Linux  können  sogar  ohne  Signal-Handler  bestimmte  sperrende  Systemaufrufe mit dem Fehler EINTR
       fehlschlagen, nachdem der Prozess von einem der Stop-Signale  gestoppt  wird  und  dann  mittels  SIGCONT
       wieder  fortgesetzt.  Dieses  Verhalten  ist nicht durch POSIX.1 sanktioniert und tritt nicht auf anderen
       Systemen auf.

       Die folgenden Linux-Schnittstellen zeigen dieses Verhalten:

       * »Eingabe«-Socket-Schnittstellen,  wenn  für  den  Socket  mittels  setsockopt(2)  eine   Zeitbegrenzung
         (Timeout,  SO_RCVTIMEO)  festgelegt wurde: accept(2), recv(2), recvfrom(2), recvmmsg(2) (auch mit einem
         von NULL verschiedenen Argument timeout) und recvmsg(2).

       * »Ausgabe«-Socket-Schnittstellen,  wenn  für  den  Socket  mittels  setsockopt(2)  eine   Zeitbegrenzung
         (Timeout,  SO_RCVTIMEO)  festgelegt  wurde:  connect(2),  send(2), sendto(2) und sendmsg(2), falls eine
         Sendezeitüberschreitung (SO_SNDTIMEO) gesetzt wurde.

       * epoll_wait(2), epoll_pwait(2).

       * semop(2), semtimedop(2).

       * sigtimedwait(2), sigwaitinfo(2).

       * Linux 3.7 und älter: read(2) von einem inotify(7)-Dateideskriptor

       * Linux 2.6.21 und früher: futex(2) FUTEX_WAIT, sem_timedwait(3), sem_wait(3).

       * Linux 2.6.8 und früher: msgrcv(2), msgsnd(2).

       * Linux 2.4 und früher: nanosleep(2).

KONFORM ZU

       POSIX.1, mit den beschriebenen Ausnahmen

ANMERKUNGEN

       Für eine Diskussion asynchron-Signal-sicherer Funktionen, siehe signal-safety(7).

SIEHE AUCH

       kill(1),  getrlimit(2),  kill(2),  restart_syscall(2),  rt_sigqueueinfo(2),  setitimer(2),  setrlimit(2),
       sgetmask(2),   sigaction(2),   sigaltstack(2),  signal(2),  signalfd(2),  sigpending(2),  sigprocmask(2),
       sigreturn(2),   sigsuspend(2),   sigwaitinfo(2),   abort(3),   bsd_signal(3),   killpg(3),    longjmp(3),
       pthread_sigqueue(3), raise(3), sigqueue(3), sigset(3), sigsetops(3), sigvec(3), sigwait(3), strsignal(3),
       sysv_signal(3), core(5), proc(5), nptl(7), pthreads(7), sigevent(7)

KOLOPHON

       Diese Seite ist Teil der Veröffentlichung  4.15  des  Projekts  Linux-man-pages.  Eine  Beschreibung  des
       Projekts, Informationen, wie Fehler gemeldet werden können sowie die aktuelle Version dieser Seite finden
       sich unter https://www.kernel.org/doc/man-pages/.

ÜBERSETZUNG

       Die   deutsche    Übersetzung    dieser    Handbuchseite    wurde    von    Martin    Eberhard    Schauer
       <Martin.E.Schauer@gmx.de>,   Helge   Kreutzmann   <debian@helgefjell.de>   und   Dr.   Tobias   Quathamer
       <toddy@debian.org> erstellt.

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